Dynamik und Eigenschaften einer Krankheit
Gesundheit ist Bewegung – ein stiller Tanz zwischen Balance und Veränderung
Gesundheit ist kein fixer Punkt, sondern ein lebendiger Fluss. Sie verändert sich – manchmal kaum merklich, manchmal stürmisch und fordernd. Krankheit entsteht, wenn diese Bewegung ihre natürliche Harmonie verliert: wenn der Fluss stockt oder sich zu schnell beschleunigt. Sowohl im Ayurveda als auch in der Homöopathie spielt die Wahrnehmung dieser Dynamik eine zentrale Rolle.
Gleichgewicht / Gesundheit
Im Zustand der Gesundheit ruht die Lebenskraft in sich selbst. Körper, Geist und Seele schwingen in einer stillen, aber bewegten Harmonie. Die Kräfte von Hitze und Kälte, Trockenheit und Feuchtigkeit, Schwere und Leichtigkeit halten sich gegenseitig im Gleichgewicht.
„Gesundheit ist kein Stillstand, sondern ein harmonisches Pulsieren des Lebens.“
Diese lebendige Balance verändert sich ständig – fein, rhythmisch und intelligent
Veränderung, Reizung, Unruhe
Wenn der Fluss sich verändert, beginnt die Dynamik der Krankheit. Ich stelle mir diesen Prozess wie eine Welle oder einen Pfeil vor: Unten liegt die Gesundheit – der Beginn des Anstiegs. Je steiler und kürzer der Weg nach oben, desto akuter und bedrohlicher die Erkrankung. Diese Phase ist voller Bewegung: Reizung, Hitze, Unruhe.
Je flacher und länger der Anstieg, desto chronischer und beständiger ist der Prozess. Bei kontinuierlichen, minimalen Veränderungen kommt es schließlich zum Einfrieren der Prozesse. Eine Körperreaktion auf die Disbalance ist kaum noch erkennbar.
Im Ayurveda zeigen sich hier die Qualitäten (Guṇas) in Übermaß. In der Homöopathie wird diese Bewegung zur Sprache der Symptome:
"Wie fühlt sich das an? Was verschlechtert? Was bessert?
Wie schnell, wie tief, wie intensiv?"
Akute Dynamik
ist dabei oft leichter zu begleiten. Sie ist noch in
Bewegung, offen, veränderungsbereit – die Lebenskraft schwingt, auch wenn sie in Unruhe ist. Als Behandler kann man diese Schwingung aufnehmen, mit ihr in Resonanz treten, sie lenken und unterstützen.

Chronische Prozesse hingegen verlieren mit der Zeit ihre Beweglichkeit. Die Dynamik wird zäh, der Fluss träge, die Lebenskraft starrer. Je mehr sich eine Krankheit verfestigt, desto näher kommt sie der Erstarrung
– einem Zustand, den man schließlich „austherapiert“ nennt.

"Dort, wo kaum noch Bewegung ist, braucht Heilung Geduld, Feingefühl und manchmal nur die Einladung wieder zu fließen und zurückzukehren in eine akute Dynamik."
Erkrankung
Am höchsten Punkt der Welle steht die sichtbare Krise – die Krankheit selbst. Hier zeigt sich, welche Qualität überwiegt, und damit auch, wie Heilung geschehen kann. In der Homöopathie entscheidet jetzt die Potenzierung:
- Akut, steil, dynamisch → niedrige Potenz, feiner, schneller.
- Chronisch, flach, langsam → hohe Potenz, tiefer, nachhaltiger.
Im Ayurveda gilt dasselbe Prinzip in anderer Sprache: Ein überreiztes Vata verlangt Ruhe, ein überkochendes Pitta Kühle, ein stagnierendes Kapha Bewegung.
Heilung, Integration, Harmonie
Auf dem Rückweg gleicht sich die Bewegung wieder aus. Hitze wird zu Ruhe, Reizung zu Klarheit, Unruhe zu Frieden. Heilung bedeutet, dass die Lebenskraft ihren Rhythmus wiederfindet – nicht exakt wie zuvor, sondern auf einer tieferen Ebene der Balance.
„Heilung ist kein Rückweg, sondern eine Heimkehr in ein neues Gleichgewicht.“
Krankheit ist somit kein Feind, sondern eine Botschaft der Bewegung. Wenn wir ihre Dynamik und Eigenschaften verstehen, erkennen wir, wie das Leben selbst heilt – in Wellen, in Zyklen, in Resonanz mit der Natur.
Ihre Heilpraktikerin
Gabriele Oppermann